Neu oder gebraucht – Hauptsache es läuft?
Über den Aftermarket im Nutzfahrzeugbereich
Über 750.000 Nutzfahrzeuge ab sechs Tonnen sind in Deutschland zugelassen. Entsprechend ihrer Laufleistung und Beanspruchung besteht ein hoher Reparaturbedarf. Häufig kommen gebrauchte Teile zum Einsatz. Welche Rolle spielt also in dieser Branche der Aftermarket und wie lässt sich sein Volumen möglichst verlässlich ermitteln? Das erläutert Axel Schomborg, Director Customer und Services Research, im Themenspecial “Automobil” von planung & analyse und geht zudem auf die daraus resultierenden Herausforderungen ein.
Der Nutzfahrzeug-Aftermarket mag einem nicht als erstes in den Sinn kommen, wenn man an Automobilmarktforschung denkt. Dennoch ist er sowohl auf Seiten der Fahrzeug- und Ersatzteilhersteller als auch für Marktforschungsunternehmen ein hochinteressanter und herausfordernder Markt. Über 750.000 Nutzfahrzeuge ab sechs Tonnen Gesamtgewicht sind in Deutschland zugelassen – Fahrzeuge mit oftmals hoher Laufleistung, starker technischer Beanspruchung und somit entsprechendem Wartungs- und Reparaturbedarf.
Bei der Ermittlung des Aftermarket-Volumens für definierte Ersatzteile und Services sind eine Reihe spezifischer Rahmenbedingungen und Einflusskriterien zu berücksichtigen:
Es gibt kaum gesicherte Erkenntnisse über die jährlichen Wechsel-/Austauschraten für verschiedene Ersatz-/Bauteile. Im Falle eines Wechsels/Austauschs wird nicht nur zu Neuteilen gegriffen: In Abhängigkeit vom Produkt werden auch Gebrauchtteile oder aufbereitete Teile verbaut. Durch Service-/Wartungsverträge ist ein gewisser Anteil der Wechsel-/Austauschvorgänge bereits abgedeckt und steht für den freien Service- und Ersatzteilmarkt quasi nicht zur Verfügung. Neben dem Fahrzeugalter beeinflussen auch die Einsatzart (zum Beispiel Fern-, Nah-, Verteiler- oder Baustellenverkehr) und -intensität der Fahrzeuge den Wartungs-/Reparaturbedarf. Gerade bei Unternehmen, die nicht der Transport-/Logistikbranche zuzuordnen sind und die über kleine Nfz-Fuhrparks verfügen, erfolgt die Dokumentation über erfolgte Reparaturen/Austausche häufig nicht detailliert, was die Informationsgewinnung erschwert. Über ein Drittel der Nfz ab sechs Tonnen befinden sich in Deutschland in kleinen Fuhrparks. Die Entscheidung für ein OEM- oder IAM-Ersatzteil wird – unabhängig von der Fuhrparkgröße – nicht immer durch den Fuhrparkleiter bzw. den Fahrzeughalter getroffen. Häufig liegt eine große Entscheidungsbefugnis auf Werkstattseite. Neben den Marken-Vertragswerkstätten spielen die freien Werkstätten sowie bei mittleren und großen Fuhrparks die betriebseigenen Werkstätten die wichtigste Rolle. Gerade in der Gruppe der freien Werkstätten aber auch der betriebseigenen Werkstätten lassen sich unterschiedliche Typen identifizieren: Das Anspruchsverhalten der Werkstätten reicht von „Hauptsache er läuft anschließend wieder!“ über „Wir machen das, was der Kunde will!“ bis „Nur Qualität zählt!“. Entsprechend unterschiedlich fällt auch das Verhalten bei der Wahl des Austausch-/Ersatzteils aus.
Marktforschung für den Nutzfahrzeug-Aftermarket ist keine einfache Aufgabe. Neben breiter Methodenkompetenz sind einschlägige Branchen- und Produktkenntnisse sowie eine genaue Kenntnis der landesspezifischen Fuhrparkstrukturen unabdingbar. Aber nicht zuletzt hängt der Erfolg auch davon ab, ob man die Sprache der Händler, Werkstätten und Fuhrparks spricht und versteht.